Geschichte

Die Erscheinung der Gottesmutter

Im Wald von Salouf

Bericht des Landvogtes des Hochgerichtes Oberhalbstein Albert de Baselgia zu Handen des apostolischen Nuntius Giovanni Francesco, Bischof von Vercelli, gegeben am 6. Juli 1580:
„Heute sind es drei Wochen, dass im Oberhalbstein einem 18-jährigen Mädchen, das auf den Berg gegangen war um Holz zu sammeln, eine von Statur kleine und weissgekleidete Frau erschienen ist, die ihr Gesicht mit einem weissen Schleier verhüllt hatte. Sie sprach zum Mädchen also «Gehe hin und sage dem Volk im Land Oberhalbstein, es habe nun soviel gesündigt, dass nicht noch mehr ertragen werden könne. Wenn es sich nicht bessere, werde Gott es streng bestrafen, so dass er nicht nur die Feldfrüchte verdorren, sondern auch das Volk vom Jüngsten bis zum Ältesten sterben lassen werde. Ich kann bei meinem Sohn für dieses Volk nicht mehr Fürbitte einlegen.»
Nachdem die Frau verschwunden war, wagte das Mädchen niemandem etwas davon zu sagen. Am folgenden Tag, als es zum gleichen Ort kam, erschien ihm neuerdings die gleiche Frau und frug es, warum es dem Volk nicht gesagt habe, was sie ihm aufgetragen hatte. Als das Mädchen antwortete, es habe nichts sagen dürfen, wiederholte sie nochmals das gleiche, hinzufügend, es solle keine Angst haben und dem Volk sagen, es solle Busse tun und mit dem Kreuz Prozessionen halten und dann werde ihm Gott leicht die Sünden verzeihen. Das Mädchen solle diesmal nicht unterlassen, das Aufgetragene dem Volk mitzuteilen, sonst werde es selber bestraft werden.

Der Ort der ersten Erscheinungen ist nach der Tradition die Cruscheta, eine Waldlichtung auf halbem Weg zwischen Salouf und Cre digl Lai. Dort befindet sich jetzt ein Bildstock.

Trotzdem wagte das Mädchen nicht, etwas hievon jemandem mitzuteilen. In der folgenden Nacht, als es neben der Mutter schlief, fing eine Stimme an das Mädchen zu rufen. Als die Mutter zum zweiten Mal die Stimme vernahm, frug sie, wer da rufe. Auf die Antwort, man rufe nicht sie, sondern die Tochter, weckte sie diese, und die Stimme wiederholte dasselbe wie die zwei früheren Male. Da frug die Mutter ihre Tochter, was vorgefallen sei und ob die Frau schon früher mit ihr gesprochen habe. Nachdem sie von der Tochter alles vernommen hatte, erzählte die Mutter am folgenden Tag alles einer anderen Frau, und diese erzählte es ihrem Mann. Dieser aber erstattete dem Landvogt des Hochgerichtes Bericht. Aus diesem Grund nahm der Landvogt Mutter und Tochter ins Verhör. Nachdem er die Wahrheit erfahren hatte, verordnete er Prozessionen, an denen jedes Mal über 3000 Personen teilnahmen.“

Die Erscheinung in Ziteil

Nachdem die erste Prozession nach dem Ort der Erscheinung innert acht Tagen stattgefunden hatte, begab sich ein 16jähriger Knabe auf einen anderen Berg, auch im Oberhalbstein, und kam zu einer kleinen Quelle, wo er eine Frau im Gebet knien sah.

Da er sich fürchtete, wollte er umkehren, um zwei Männer zu rufen, die mit ihm heraufgekommen und etwas weiter entfernt waren, damit sie die Frau auch sähen. Diese rief jedoch den Knaben liebevoll zu sich her und sagte ihm das gleiche, was sie dem Mädchen gesagt hatte, hinzufügend, sie habe nicht aufgehört zu ihrem Sohn für das Volk zu beten. Aber es sei nötig, dass das Volk sich aufrichtig bekehre und fortfahre Prozessionen zu halten, wie es angefangen habe, ansonst sie nicht erhört werde. Als sie von dannen schied, sah er ihr gerötetes Knie, als ob sie zeigen wollte, man müsse sich beim Gebet abmühen. Nachdem er nur wenige Schritte fortgegangen war, kehrte er sich um, um die Frau zu sehen, doch sie war schon verschwunden.

Die Erscheinung in Ziteil nach einer Lithographie von 1841 (Doyen, Turin). Die Berge sind offenbar von einem Künstler gestaltet, der Ziteil selber nicht kannte.

Als man anfing Prozessionen zu halten, fingen alle verdorrten Feldfrüchte wieder zu grünen an und weckten Hoffnung auf eine sehr gute Ernte.

Soweit der Bericht, der sich im Vatikanischen Archiv unter der Sammlung Germania befindet. Conf. Reinhardt-Steffens, Die Nuntiatur von G.Fr. Bonhomini 2 (1917) 206-210 Nr. 718 sowie auch Nr. 729, 755, 756.

Auch der heilige Karl Borromäus zeigt sich erfreut über die Erscheinung in Ziteil. Er weist aber in seinem Brief an Bonhomini darauf hin, dass Rom die Wundererscheinung kaum für sicher erklären werde, da sie nur von zwei Minderjährigen, die leicht getäuscht werden können, überliefert sei.

Die Kirche verpflichtet ihre Mitglieder nicht zum Glauben an Privatoffenbarungen. Aber der Inhalt der Botschaft von Ziteil – Gebet und Busse – ist eine Forderung des Evangeliums. Darum ist die Wallfahrt nach Ziteil in jedem Fall berechtigt.


Aus „Die Wallfahrt nach Ziteil“, Duri Lozza, 1980